Publisher: Olm, 2004, Pages: 248, HardcoverViktor Kortschnoi gehört zu den größten Persönlichkeiten der Schachgeschichte, die er seit fast 50 Jahren mit prägt. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der ungebrochene kämpferische Stil des über 70-Jährigen gefürchtet. Immer wieder lässt der eingebürgerte Schweizer bei stark besetzten Turnieren Weltklassespieler hinter sich, die seine Enkel sein könnten.
Zeit also, Viktor Kortschnois Autobiographie "Chess is my Life", die vor mehr als 25 Jahren erschien, auf den neuesten Stand zu bringen. Der zweimalige Herausforderer um die Schachkrone (1978 und 1981) erzählt sein Leben von Beginn an neu. Erinnerungen an die Kindheit im belagerten Leningrad, die Studienzeit an der Universität seiner Geburtsstadt (dem heutigen Sankt Petersburg), sein Aufstieg zur Weltspitze, der im März 1954 mit dem ersten internationalen Turniersieg in Bukarest begann, sowie die Jahre nach der Flucht 1976 in den Westen sind fraglos bewegendes Zeitdokument dieses leidenschaftlichen und energiegeladenen Vorbildes mehrer Generationen von Schach freunden. Der Band enthält zudem viele Fotos und einige von Kortschnoi neu kommentierte Partien, die für seine glanzvolle Schachkarriere entscheidend gewesen sind.
Mit CD-ROM (im ChessBase Standard) mit allen bekannten Partien. Fester Einband mit extra starken Deckeln Als ich Viktor Kortschnoi das erste Mal traf, war ich zwölf Jahre alt und spielte gegen ihn in einer Uhrensimultanvorstellung im November 1975 in Leningrad. Es war das alljährliche Turnier der Mannschaften der Pionierpaläste. Jedes Team trat mit sieben jungen Spielern gegen die Kapitäne der anderen Mannschaften an - und was waren das für Kapitäne! Karpow, Kortschnoi, Symslow, Polugajewski. Und Sie können sich sicher die Rivalität zwischen Karpow und Kortschnoi vorstellen, als es darum ging, das beste Ergebnis zu holen. Meine Bakuer Mannschaft traf in der letzten Runde auf Kortschnoi, und ich werde niemals die fürchterliche Energie vergessen, die Viktor gegen seine jungen Gegner aufbrachte - als ob es sich um ein Match um die Weltmeisterschaft handeln würde.
Er ist immer diese Mixtur aus Leidenschaft und Anmaßung - er kann einfach nicht anders!
Dies ist ein Beispiel für seinen Eifer am Brett. 1983 lieferte er jedoch Anschauungsunterricht in Charakterstärke außerhalb des Brettes. Als ich aufgrund der Intrigen der sowjetischen und der FIDE-Offiziellen vor unserem Kandidatenmatch in Pasadena disqualifiziert wurde, lehnte es Kortschnoi ab, die Dinge damit auf sich beruhen zu lassen. Er konnte nicht glauben, dass er erneut Karpow entgegentreten sollte, ohne vorher mich geschlagen zu haben.
Als wir uns in Jugoslawien trafen, um über das Match zu diskutieren, gab er mir auch einige praktische Ratschläge. Er schaute auf meine Kleidung und bemerkte dann:
"Man kann einen Sowjetmenschen immer an seinen Schuhen erkennen. Kaufen Sie sich ein Paar gute Schuhe!" Kortschnoi ist sich selbst gegenüber immer so kritisch gewesen wie gegenüber anderen. Es hat nur sehr wenige Spieler gegeben, die so ehrlich waren, ihre eigenen Züge zu kritisieren. Dazu würde ich Botwinnik, Fischer und am entschiedensten Kortschnoi zählen. Ich erinnere mich an eine seiner Partien aus seiner kommentierten Sammlung. Eine Partie aus dem Jahr 1960, in der er Weltmeister Botwinnik besiegte. Er hatte die Partie und seine damaligen Kommentare einer erneuten Prüfung unterzogen und machte dabei eine ziemlich ungewöhnliche Beobachtung. In einer alten Anmerkung hatte er geschrieben: "...Lc6 hätte Schwarz bessere Überlebenschancen eingeräumt." Nun fügte er der neuen Fassung hinzu: "Ein typischer Fall von Feigheit, wenn der Kommentator keinen Gewinn finden kann!" Und in seiner späteren Analyse fand er den Gewinn! Was für eine beeindruckende Ehrlichkeit nach einem Sieg gegen den Weltmeister, und er hat diese Grundeinstellung auch nach 40 Jahren beibehalten. Kortschnoi ist lange eine der umstrittensten Figuren in der Schachwelt gewesen, aber jedermann erkennt den immensen Beitrag an, den er für das Schach geleistet hat. In der gesamten Schachgeschichte lässt sich kein anderer Schachspieler finden, der über so viele Jahre diese Disziplin, Vitalität und unbändigen Kampfgeist gezeigt hat. Er ist auf seine Art unvergleichlich. Lasker und Symslow waren zwar ähnlich lange aktiv, aber ihr Beitrag verringerte sich mit der Zeit, da sie sich mehr auf ihr Talent und ihre Erfahrung verließen. Kortschnoi hingegen sucht selbst jenseits der siebzig noch die Wahrheit im Schach. Immer noch strebt er nach großen Partien mit großen Ideen. Er ist einer der größten Wahrheitssucher!
Mein persönliches Verhältnis zu Kortschnoi hatte über die Jahre Höhen und Tiefen, aber unsere beiderseitige Leidenschaft für das Schach hat letztlich immer triumphiert. Wir alle kommen nicht umhin, seine unentwegte Hingabe an unser Spiel zu bewundern.
Moskau, im Juni 2004